„Es ist schon merkwürdig, dass man jemanden vermisst, der gar nicht existiert. Ein schlauer Schachzug der Natur, um das Fortbestehen unserer Art zu sichern.
Dies ist vielleicht der persönlichste Blogtext, den ich je verfasst habe oder verfassen werde. Ich glaube aber, viele Frauen und Paare teilen die gleiche Geschichte.
Das Leben verläuft selten nach Plan. Wir wissen es alle, und dennoch hegen wir die Hoffnung, dass bei einem selber die Dinge so eintreten, wie man sie sich wünscht. Zwei Jahre ist nun unsere Hochzeit in der Toskana her. Traumhaftschöne Erinnerungen, auf die der nächste Schritt folgen sollte.
Ein Baby.
Pille absetzen, Check beim Frauenarzt, Folsäure nehmen. Dann kann es doch eigentlich losgehen.
Verheiratet und über 30 sind die beiden Faktoren, die alle Menschen um einen herum förmlich dazu einladen, bei jeder Gelegenheit zu fragen: Und, Kinder? Wann ist es soweit? Wann seid ihr dran? Wann legt ihr mal los? Tja, wenn man doch nur auf den „Bestellen“-Button klicken könnten.
Aber das Leben schreibt seine eigenen Pläne und hat so gar keine Lust, sie mit uns zu teilen.
Ich war nie die Frau, die ab Tag ihres ersten Eisprungs ununterbrochen von Kindern träumte.
Ich mag Kinder. Nicht alle. Oh, definitiv nicht alle! Eigentlich nur ein paar wenige.
Dennoch sah ich mich in der Zukunft mit Minimum zwei quirligen Rabauken durchs Leben hüpfen. Das war für mich in Stein gemeißelt. Nur eilig hatte ich es damit nie.
Ich wollte meine Freiheiten erst noch in Fülle auskosten und genießen, bevor sich das ganze Leben ändern und nur noch um eine kleine Person drehen würde.
Für mich schien es ausgeschlossen, dass ich eines Tages eine dieser nervösen Frauen werden würde, die auf die berühmte biologische Uhr schauen und jedes Tick-Tack mit zunehmender Besorgnis betrachten.
Aber je länger du probierst, desto lauter schlagen die Zeiger.
Das gemeine bei dieser Kinderproduktion ist doch auch, dass dir niemand erklären kann, warum was wie wann nicht klappt. Es sind höhere Mächte, die keinen Telefonanschluss und kein Twitter besitzen.
Mit 33 Jahren habe ich natürlich noch einiges an Zeit. Und auch medizinische Unterstützung ziehe ich noch nicht in Betracht. Wir versuchen eher an dem „locker bleiben“ zu arbeiten. Was zugegeben ganz schön schwer ist.
Insbesondere, wenn jeden Tag ein weiteres Pärchen aus dem Freundeskreis oder aus der Zeitung, ihre frohen Nachrichten verkündet.
Diesen Artikel zu veröffentlichen, kostet mich viel Mut. Es ist nicht nur ein Tabu-Thema, weil es, sobald es einmal präsent ist, an den Nerven der Beteiligten nagt und Druck ausübt. Es ist mir auch ein Stück weit unangenehm, da ich – ganz offensichtlich – nicht zu den „ein-Schuss-ein-Treffer-Frauen“ gehöre.
Ich fühle mich irgendwie defekt und fehlerhaft.
Fortpflanzung ist doch das, worum es im Leben geht. Dass dieser Gedanke Schwachsinn ist, weiß ich natürlich auch. Es ist ein so intimes Thema auf der einen Seite. Weil man aber ständig danach gefragt wird, und viele Menschen dasselbe Schicksal teilen, ist es wiederum alles andere als intim. Es ist allgegenwärtig.
Wie gehe ich jetzt aus diesem Text raus? Ich möchte das Ganze nicht zu dem Hauptthema in meinem Leben machen. Denn wenn ich nur noch auf etwas warte, das vielleicht ganz bald, in einigen Jahren oder nie eintritt, verpasse ich dann nicht, mein Leben zu leben? Daher bitte ich auf weitere Nachfragen zu verzichten. Vielleicht werdet ihr zu alldem von mir eines Tages wieder hören, vielleicht aber auch nicht.“
Diesen Text habe ich vor über einem Jahr geschrieben.
Ich sage es ganz direkt: Ich hatte nicht die Eier, ihn zu posten.
Nicht, dass ich ein Problem damit hatte, über das Thema zu sprechen. Im Gegenteil. Ich habe mit allen möglichen Menschen, auch mit denen, die ich nicht gut kannte, darüber geredet. Und so offen ich auf diesem Blog auch immer war, mit diesem Text wäre der Schmerz noch realer geworden.
Ich habe immer versucht cool zu tun, wenn ich auf das Thema Baby angesprochen wurde.
Ich wollte mir selbst nicht eingestehen, wie verdammt weh es tut, alle um mich herum zu sehen, wie sie Familien gründen und ihre Kinder in den Arm schließen.
Es hat mir einfach wehgetan! Über so lange Zeit. 2 ½ Jahre hat es gedauert.
Geschämt habe ich mich auch irgendwie. Jetzt steht die Geburt unseres ersten Kindes kurz bevor. Inmitten einer merkwürdigen Zeit.
Rückblickend kann ich sagen, dass ich Paare, bei denen es nicht klappt oder kompliziert ist, jetzt nochmal mit ganz anderen Augen sehe.
Rückblickend hätte ich gerne den Mut gehabt, diesen Text zu veröffentlichen und mich mit anderen auszutauschen.
Es gibt einfach zu viel von ihnen, und ich habe eine Idee davon bekommen, wie sie sich fühlen. Sie laufen mit einem immer schweren Herzen, einer andauernden Traurigkeit durch die Welt und wünschen sich doch nur, diese erdrückenden Gefühle endlich auf stumm schalten zu können.
Endlich mal wieder leicht zu sein!
Ich will, dass ihr wisst, dass ihr nicht alleine seid und dass ich den allergrößten Respekt vor euch habe!!!