Stillen – von Gelassenheit und anderen Irrtümern

Stillen sollte einfach sein, ist es aber nicht und kann Frauen gewaltig stressen.

Dieser Beitrag im Zuge der Weltstillwoche ist für alle Frauen, die stillen. Für Frauen, die stillen wollen, aber nicht können. Für Frauen mit zu wenig oder zu viel Milch, mit nach innen gekehrten Brustwarzen, zu kleinen, zu feinen, zu großen, zu entzündeten. Oder eben Frauen, die nicht stillen wollen, weil – das WEIL spielt keine Rolle. 

#stillenistliebe ist der zweithäufigste Hashtag im Deutschen, wenn es um das Thema Stillen geht. Okay, das baut mal gar keinen Druck auf.

Aber kommt der Druck wirklich nur von außen?

Gestandene Frauen wie wir reden ehrlich in den sozialen Medien über diese Problematik. Selbstbewusst und kaltschnäuzig weisen wir den gesellschaftlichen Druck von uns.

Es ist mehr als en Vogue zu tönen, was andere sagen, was andere denken, das tangiert mich nicht.

Wir, die knallharten, selbstbewussten Frauen des 21. Jahrhunderts. Wir wollen locker, cool und stark sein. Ja klar, wir machen unser Ding!

Ich, natürlich eine von ihnen. Im Gepäck gut durchdachte, rationale Pläne und eine riesen Portion Gelassenheit. So steuerte ich Richtung Entbindung, Richtung Muttersein. Schön, wenn es mit dem Stillen klappt, und wenn nicht, tja, dann gibt’s halt das Fläschchen.

Ich lasse mich von niemandem stressen.

Rückblickend möchte ich diesen Satz ergänzen: Ich lasse mich von niemandem stressen, außer von mir selber, und, bei allem was mir heilig ist, schwöre ich feierlich, dass ich mir das Leben zur Hölle machen werde.

Aber zum Anfang.

Nach einer wundervollen Geburt erblickte Babyjunge Casper das Licht der Welt. Mama Lilli war auf Wolke 7, und da wollte sie auch bleiben. Wenn nicht, ja wenn nicht diese Sache mit den gigantisch großen Brüsten gewesen wäre. Brüste mit so viel Milch, sie hätte das gesamte Bundesland damit versorgen können. Ein Wunder der Natur.

Weniger begeistert, Baby Casper.

Er, vollkommen überfordert, verschluckte sich in einer Tour und hatte schon nach wenigen Tagen so gar keine Lust mehr auf das Drama. Dann halt Plan B.

Abpumpen, Flasche geben, kein Problem.

Ich erinnere mich gut an den Moment, als meine Mutter Casper seine erste Flasche mit der abgepumpten Milch gab – ich selbst war nicht in der Lage dazu. Dieser Moment hat sich für immer in meine Zellen gebrannt. Genau wie das letzte Mal, als er an meiner Brust trank. Tief in mir wusste ich, dass es das letzte Mal sein würde.

Es war der erste Abschied in dieser noch so frischen Beziehung.

Das Gefühl von Versagen brachte Wolke 7 zum Platzen. Aber noch schlimmer war die Trauer, die sich in mir breitmachte. Diese grausame, erdrückende Trauer.

Das hatte ich so nicht geplant – alles doch kein Weltuntergang, verdammt! Und doch konnte ich mir weder erklären, wieso ich mich jetzt so fühlen musste, noch dagegen ankämpfen. 

Monate später, ich, mittlerweile entspannt und im Muttersein angekommen, war gerade mit einer Freundin unterwegs, mit der ich „gemeinsam“ schwanger gewesen war. Die Geburt unserer 8 Monate alten Babys, die jetzt friedlich in ihren Kinderwagen schliefen, lag nur wenige Tage auseinander. An diesem schönen sonnigen Tag trafen wir eine schwangere Arbeitskollegin meiner Freundin. Schnell kam es zum beliebten Thema Stillen.

„Ach das wird schon alles. Und Stillen ist mega entspannt, freu dich drauf. Und so praktisch! Ganz ehrlich, ich hole die Brüste einfach überall raus, und füttere mal eben schnell. Das ist voll easy.“

Meine Freundin hatte sich bei dem lockeren Smalltalk sicher nichts gedacht. Aber ihre Worte stießen wie ein Dolch in meinen Magen und katapultierten mich zurück zu meinen Still-Erfahrungen, oder eben Nicht-Still-Erfahrungen.

Ich stand da, hörte zu und versuchte mir nichts anmerken zu lassen. Doch innerlich begab ich mich in die Hocke, zu schwer lag das Gewicht der Scham auf meinen Schultern.

Worauf ich hier eigentlich hinaus will?

Wir können es uns noch so vornehmen, schönreden und von uns abtun, den Druck und Stress, die eigene Erwartung und all diese überwältigenden Gefühle. Aber wir Mütter sind gekettet an Instinkte und eben diese Gefühle, oft machtlos, für immer im Dienste unserer Kinder.

Was ich mich zerfleischt habe, als es mit dem Stillen nicht geklappt hat! Was ich mich gestresst habe, als nachts der Wecker klingelte und mich zum Abpumpen zitierte! Wie groß meine Angst vor der Pre-Milch war!

Würde ich bei einem zweiten Kind, nach all diesen Erfahrungen, entspannter sein? Würden mich diese Dinge überhaupt noch beeindrucken? Würde ich mein Leben wieder komplett nach der Milchpumpe richten?

Der größte Stressfaktor, liebe Frauen, sind wir selber.

Von außen betrachtet, ist es alles nicht so schlimm. Wissen tun wir das. Alle Vorhaben schön und gut. Aber wenn es soweit ist, lernen wir uns neu kennen.

Seid nett zu euch, gebt euch, egal für was ihr euch entscheidet, keine Schuld und haltet durch. Denn eh man sich versieht, verweigern die kleinen Monster das Brot und lutschen nur den Belag herunter, schütteln den Kopf und sagen zu allem „nein, nein“.

Mit den Monaten Abstand, die ich jetzt habe, wünschte ich mir, ich selbst hätte mir das Leben damals nicht so schwergemacht und mich mehr auf die Dinge konzentriert, die schön waren und geklappt haben. Naja, maybe next time. Ich hoffe, ihr seid gnädiger mit euch!

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