Der Ehemann im Trainingslager – endlich Zeit für mich!
Ich quetschte mich in die brandengen schwarzen Yogapants – nicht dass ich Yoga machen würde.
Aber diese Hose sitzt einfach wie eine zweite Haut und zaubert sogar meinem Platthintern ein paar Rundungen mehr.
Als Schauspielerin, und noch viel wichtiger als Spielerfrau, stand ich in der Verantwortung, die allgemeinen Erwartungen zu erfüllen und das Beste aus meinem Körper rauszuholen.
Deshalb warf ich noch ein lässiges Shirt über, das die Muskeln an meinen Schultern betonte, und verpasste meinen Augen einen rauchigen sexy Lidstrich.
Jeder weiß, so ein Sportoutfit sollte von oben bis unten durchgestylt sein, ist es doch eine zusätzliche Motivation, um seinen Allerwertesten hochzubekommen. Und man weiß ja nie, wer einen beim Trainieren beobachtet.
An diesem Tag hätte Adidas jedoch noch Sportpants erfinden müssen, die #gymqueen dazu bewegen sollten, zum Fitnessstudio aufzubrechen.
Der einzige Squat, den ich machte, brachte mich gerade mal in die Horizontale auf meine Matratze.
Im Bett meldete sich dann leider schnell das schlechte Gewissen.
Wenn schon nicht Sport, dann wenigstens für meinen Blog produktiv sein.
Nachdem ich eine Weile auf das neue leere Word-Dokument starrte, passierte etwas Eigenartiges. Die Computer-Maus glitt wie von Geisterhand über den Bildschirm, einige Seiten verschwanden, ein neues Fenster ploppte auf und plötzlich – es erinnerte mich an das Gläser-Rücken-Spiel, das mir mit 16 Alpträume und einen ordentlichen Kater bescherte – erschienen große rote Buchstaben: NETFLIX.
Zwei Episoden „House of Cards“ später beschloss ich diesen Sonntag noch nicht ganz abzuschenken.
Das Hotelzimmer, das mein Mann, unsere beiden Hunde und ich seit knapp einem Monat bewohnten, weil wir für seinen neuen Job bei einem Fußballverein von Hamburg nach Mainz gezogen waren, musste dringend aufgeräumt werden, damit das House Keeping Personal zumindest den Hauch einer Chance hatte, mal wieder putzen zu können.
Ich war gerade dabei war den ersten Pullover zu falten, als mein Blick im Spiegel hängen blieb.
Das ist doch nicht etwa…?
Nicht schon wieder!
Noch so ein leuchtend weißes Grieskorn in der Falte an meinem linken Nasenflügel!
Gott sei Dank hatte ich einige dieser scharfen Metall-Piecks-Dinger von meiner Kosmetikerin mitgenommen. Im Nu hatte ich zwei Grieskörner entleert und leider mit falschem Ehrgeiz in fünf weitere hineingestochen, die sich dann aber einfach nur als Poren entpuppten.
Frustriert von meiner Selbstverstümmelung, begann ich mir perfekte Frauen bei Instagram anzugucken.
Perfekte Beine, wunderschön ausgeprägter Quadriceps, perfekter Arsch, ekelhaft perfekter Bauch, essen ist dann wohl nicht, perfekte Lippen, bestimmt aufgespritzt, perfekte Brüste – nicht wieder über meine nachdenken, die, warum auch immer, jeden Tag kleiner wurden – perfekter Bikini am perfekten Körper am perfekten Strand mit perfektem Cocktail und perfekten Flamingo, et cetera, et cetera.
Perfektes Licht, perfektes Foto, eine Milliarde Follower.
Die meisten Fotos, die ich für meinen Account mache, landen wieder in der Mülltonne, weil entweder mehr Augenbrauen als Gesicht drauf waren, meine Körperhaltung mich schwanger aussehen ließ oder ich lieber in mein gekünsteltes Fake-Lachen reingeschlagen hätte als es der Öffentlichkeit zu präsentieren.
Nach all diesen emotionalen Ups and Downs schaffte ich es gerade noch mit letzter Kraft auf eine 4 ½ minütige Pipi-Kacka-Runde mit den Hunden vor die Tür.
Mag sein, dass ich schon mal eine bessere Hundebesitzerin war. Aber das ist doch das Schöne an den Vierbeinern. Sie lieben Mami, no matter what.
Erschöpft fiel ich wieder ins Bett.
Jetzt begann der anstrengende Teil des Tages. Was würde ich mir zum Abendessen aufs Zimmer bestellen und welchen Film würde ich dabei im Bett gucken?
Mein Gehirn wollte heute nicht mitarbeiten.
Dass das Leben einen aber auch immer so herausforderte! Konnte es nicht einfach mal einfach sein?!
Als der Burger am Zimmer klopfte, wurde mir schlagartig klar, dass ich eigentlich lieber Nudeln gegessen hätte.
Während ich dann doch an der Vernichtung meines Abendessens arbeitete und Pommes in Form von Kringeln (das war wohl der neuste Schrei) in die Mayonnaise tunkte, tat das magersüchtige Mädchen im Computer vor mir, gespielt von Lily-auch-schon-wieder-perfekt-Collins, das Gegenteil und hungerte bis sie zusammenbrach.
Frustrierender Film mit großartiger Schauspielerin.
Lilly Collins ist drei Jahre jünger als ich und sowas von angesagt. Sie dreht sich nen Ast ab.
Komischerweise sind alle erfolgreichen Menschen jünger als ich, einfach alle. Welch Demütigung.
Ich beschloss ein wenig zu weinen, aber zu meinem Ärger kullerte trotz aller Anstrengung keine einzige Träne.
Und da ich mir so unglaublich Leid tat, erlaubte ich mir heute mal aufs Zähneputzen zu verzichten und von der Welt allein gelassen mit meinem Kummer einfach einzuschlafen.
Morgen war ein neuer Tag. Morgen würde alles anders, alles besser werden…
11 Kommentare
Jörg
31. Juli 2017 um 19:08Hier fehlt etwas. Das „en“ als Wurmfortsatz am „Ein“. Oder hat das Style Gründe, die ich nicht sofort erfasse ? ?
Egal. Solche Tage kenne ich auch, obwohl ich nie Spielerfrau war. Kopf hoch, alles wird gut, nein besser!
Janina
31. Juli 2017 um 21:09Liebe Lilli,
eigentlich nicht mein Ding irgendwo Kommentare zu hinterlassen….. können andere lesen und das kann nur peinlich sein!! Trotzdem mutig wie ich bin – möchte ich dir sagen du bist großartig! Einfach wow!
Lilli Hollunder
31. Juli 2017 um 21:12Freu mich, dass du den Mut aufgebracht hast zu schreiben…danke!!
Denise
31. Juli 2017 um 21:09Liebe Lilli,
großes Kompliment!
Du schreibst so erfrischend …Ildiko von Kürthy hoch10!
Weiter so!
Liebe Grüße aus Wiesbaden
Lilli Hollunder
31. Juli 2017 um 21:13WOW! ? Danke für das Kompliment…!!
Bonny
2. August 2017 um 8:33Macht wirklich Spaß deine Texte zu lesen! Toll geschrieben!
Lilli Hollunder
2. August 2017 um 10:23Danke :))
Julia
2. August 2017 um 13:40Seit wann sind alle erfolgreichen Menschen jünger als du? 😀 Und was ist an 3 Jahren jetzt viel?
Alexandra Daddario,Jessica Alba,Sienna Miller,Troian Bellisario,Emilia Clarke,..Alles erfolgreiche,junge,charismatische Frauen. Kopf hoch 🙂
Katja
2. August 2017 um 21:36Ich kenn dich nicht, aber ich mag dich trotzdem ? Schön, zu sehen, dass es doch noch Menschen gibt, die über sich lachen können, ehrlich mit sich sind und sich nicht so wichtig nehmen! Es müsste viel mehr von deiner „Sorte“ geben ?
LimpiBoy
3. August 2017 um 23:36Herrlich. Habe 3 mal herzhaft laut gelacht und deine Schwägerin wach gemacht. ? Vielen Dank für das Lächeln beim einschlafen. Bis Sonntag ?
Clarissa
8. August 2017 um 9:08Lilly, du bist super! Ich liebe deine ehrliche, sarkastische Art! Ich bin auch Schauspielerin und es geht mir tierisch auf den Sack, dass alle in der Branche immer versuchen perfekt auszusehen, sich perfekt zu verhalten und sowieso immer so überglücklich aussehen obwohl wir alle den gleichen Frust haben 😉
Ich habe auch einen Blog angefangen über die letzten 7 Jahre meiner Schauspiel’karriere‘. Ich würde mich meeegaaa freuen wenn du mir einen Kommentar schreiben würdest!
https://www.clarissamolocher.com/blog